In den letzten Monaten haben sich die Kurse von Bankaktien gut entwickelt. Dies ist für die Aktionäre der Banken nach einer ordentlichen Durststrecke endlich einmal eine gute Nachricht. Seit der Finanzkrise im Jahr 2007 kannten die Kurse der europäischen Bankaktien nur eine Richtung –  gen Süden. Verantwortlich für die Kurserholung in den letzten Monaten waren steigende Anleiherenditen, die sich positiv auf die Zinsmargen der Geldhäuser auswirken und die Tatsache, dass sich die Wirtschaft nach der Corona-Pandemie wohl schneller erholt als gedacht. Ist jetzt also der Kauf von Bankaktien wieder sinnvoll oder stehlen FinTechs Banken die Show?

Europäische Bankaktien haben eine schwierige Dekade hinter sich

Bereits in der Finanzkrise 2007/2008 gerieten Banken weltweit in Schieflage.  Das Eigenkapital nahm nach der Finanzkrise kontinuierlich ab.  Alles begann mit der US-Immobilienkrise. Die Finanzkrise veranlasste Staaten dazu, die Existenz großer Banken und Finanzdienstleister durch Rettungspakete zu sichern. Einige Banken wurden verstaatlicht und später teilweise sogar abgewickelt. Die ohnehin hohe Staatsverschuldung vieler Staaten stieg krisenbedingt enorm an. In diesem Zuge wurden Zinsen massiv gesenkt. Somit schmolzen die Gewinne der Banken beim margenträchtigen Kreditgeschäft wie das Eis in der Sonne. Folglich kollabierten die Aktienkurse der Geldhäuser, wie hier am Beispiel der Deutsche Bank Aktie erkennbar. Die europäischen Geldhäuser kamen deutlich schwerer aus der Krise wie ihre amerikanischen Pendants.

 

Deutsche-Bank-Banken-Fintechs-Aktien

Quelle: VWD

Es scheint, als habe die jahrelange Talfahrt ein Ende. Noch im Herbst 2020 wollte kaum jemand Bankaktien kaufen. Seither boomen die Kurse vieler traditioneller Finanzinstitute. Der STOXX Europe 600 Banks Index hat seither um mehr als die Hälfte zugelegt. Für den Kursanstieg gibt es mehrere Gründe. Die Konjunkturprogramme stützen Bankaktien. Die Regierungen drucken massiv Geld, um strauchelnden Unternehmen unter die Arme zu greifen. In Deutschland laufen parallel gleich mehrere Programme, von der außerordentlichen Wirtschaftshilfe und der Überbrückungshilfe über vergünstigte Kredite und Bürgschaften bis hin zu Abgabenerleichterungen und der Förderung einer Sanierungsberatung. Diese Maßnahmen schüren die Hoffnung, dass eine Insolvenzwelle und massive Kreditausfälle bei Banken abgewendet werden können.

Ein weiterer Grund für den Aufschwung ist eine mögliche Zinswende. Die Renditen bei Anleihen sind wieder gestiegen, sodass sich die Margen im Kreditgeschäft der Banken wieder verbessert haben. Neben diesen beiden Lichtblicken gibt es unserer Meinung nach aber viel mehr Schatten innerhalb der Bankenbranche.

Kreditausfälle ante portas?

Sobald die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie Einzug hält und die Regierungen staatliche Nothilfen zurückziehen, wird die Europäische Union mit einem Anstieg von Insolvenzen und notleidenden Krediten konfrontiert. Ein massiver Anstieg von Insolvenzen konnte bisher noch abgewendet werden, weil die EU-Regierungen Nothilfen im Volumen von 2,3 Billionen Euro bereitgestellt hatten.

Ohne diese Hilfe und neue Kredite von Banken hätten fast 25 Prozent der EU-Unternehmen bis Ende 2020 Liquiditätsprobleme gehabt, nachdem sie ihre Bargeldpuffer aufgrund des durch die Corona-Pandemie verursachten wirtschaftlichen Chaos erschöpft hatten. Sobald die beispiellosen öffentlichen Unterstützungsmaßnahmen auslaufen, werden wahrscheinlich eine Reihe von Unternehmen ihren Schuldenverpflichtungen nicht mehr nachkommen, was zu höheren notleidenden Krediten und Insolvenzen führen wird. Fast die Hälfte aller Unternehmen, die im vergangenen Jahr aufgrund der Pandemie Liquiditätsprobleme gehabt hätten, hatte bereits vor der Krise ein hohes Ausfallrisiko und wurde nur noch durch staatliche Hilfe über Wasser gehalten,

In ganz Europa kämpfen kleine Unternehmen darum, im Verlauf der Pandemie zu überleben. Ihr Überleben ist der Schlüssel für die Banken der Eurozone, die zusammen über zwei Billionen Euro ausgeliehen haben – 40 Prozent der gesamten Geschäftskreditbücher der Kreditgeber. Außerdem existieren noch Altlasten aus dem letzten Jahrzehnt, diese Problemkredite stehen immer noch im Feuer. Jetzt kommen die neuen notleidenden Kredite der Corona-Krise hinzu. Zahlreiche Geldhäuser kämpfen darum, in einem Umfeld mit negativen Zinssätzen Geld zu verdienen. Die Aufsichtsbehörden befürchten, dass eine neue – und möglicherweise größere – Welle von Ausfällen die Banken dazu bringen könnte, Verluste zu erleiden. Diese neuen notleidenden Kredite in der Eurozone können ein Volumen von bis zu 1,4 Billionen Euro erreichen, wenn die Wirtschaft stärker als erwartet schrumpfen sollte.

Regulierungen machen europäischen Banken das Leben schwer

Europas Banken leiden seit Jahren unter einer starken Regulierung. Eine deutliche Steigerung der Mindestkapitalanforderungen und das Meldewesen, wessen Umfang sich nach der Finanzkrise verdreifacht hat, erfordert mehr Eigenkapital und bindet wichtige Ressourcen. Es wäre sinnvoll, wenn Europa besser und effizienter zusammen arbeiten würde. Eine stärkere Integration des EU-Finanzbinnenmarktes würde nicht nur zu besseren Angeboten für Verbraucher und Unternehmen führen, sondern auch den Banken enormen Rückenwind verschaffen. Auf 95 Milliarden Euro könnten sich die Kostenvorteile im europäischen Bankensektor jährlich belaufen, so die Berechnungen der Beratungsgesellschaft Copenhagen Economics.

FinTechs und Technologieunternehmen als echte Konkurrenz für Banken

Die Digitalisierung schreitet in großen Schritten voran. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend nochmals deutlich beschleunigt. Deutlich zum Nachteil der traditionellen Banken. Sogenannte FinTechs erobern zügig Marktanteile im Finanzsektor.

Der Begriff FinTech ist eine Abkürzung für „financial technology“ und wird im deutschen mit Finanztechnologien übersetzt. Es geht dabei um innovative Lösungen, welche die Abwicklungen des Finanzgeschäfts digitalisieren.

Junge, aufstrebende  Fintechs starten Angriff auf die komplette Wertschöpfungskette der traditionellen Banken. Sie sind mutiger, schneller und innovativer als ihre großen Schwestern. Fintechs sind agil, haben immer den Kunden im Blick und bauen ihr Geschäftsmodell rund um die Faktoren Convenience und Innovation auf. Hinzu kommen ehemalige FinTechs, die inzwischen ausgewachsene Unicorns sind. Hierzu zählen beispielsweise N26 oder PayPal. Diese Unternehmen erfreuen sich großer Beliebtheit bei jungen Erwachsenen, da sie viele Funktionen abdecken, für die früher die Bank die erste Anlaufstelle war. Neben FinTechs sind insbesondere Direktbanken die großen Gewinner der Corona-Krise. Denn diese agieren unabhängig von Filialöffnungszeiten und Bankgeschäfte können – passend zum derzeit vorhandenen Wunsch nach Kontaktreduzierung – von zu Hause abgeschlossen werden. Zudem sind Direktbanken oftmals deutlich günstiger.

Als größte Herausforderung für die klassischen Banken gelten jedoch die großen Technologieunternehmen wie Google, Apple, Facebook, Tencent, Alibaba oder Amazon. Zahlreiche Branchenkenner vermuten, dass die Bezahlfunktionen wie Google Pay, Alipay oder Apple Pay nur der erste Schritt in den Finanzmarkt sind. Darüber hinaus, dürfte die Kooperation zwischen ING und Amazon nur ein Zwischenschritt sein, bevor das Team von Jeff Bezos eigene Kredite an ihre Händler anbietet. Ebenfalls sehr gespannt schaut die Finanzbranche auf das Libra-Projekt von Facebook, auch wenn es noch einige Hürden zu überwinden gilt.

Banken vor großen Herausforderungen, besonders bei FinTechs

Viele Finanzhäuser stehen ergo vor einer wackeligen Zukunft. Bankenaufsicht, Notenbanken und die Politik werden alles versuchen (müssen), um den Supergau zu vermeiden. Wir sind der Meinung, dass Bankaktien aus den oben genannten Gründen zukünftig mit mehr Gegenwind rechnen müssen. Somit kommt ein „Investment“ in Bankaktien für Langfristanleger nicht in Frage. Bei der Aktienauswahl sollten Anleger besonders auf die Branchenauswahl achten, denn die Corona-Krise hat teilweise zu Veränderungen geführt, häufig jedoch bestehende Trends untermauert oder sogar beschleunigt.