Die letzten Jahre dominierte das Niedrigzinsumfeld. Für Sparer war dies ein echter Fluch, für Investoren, Immobilienanleger und Häuslebauer ein Segen. Doch die Zeit der niedrigen Zinsen dürfte vorerst vorbei sein. Die stark gestiegene Inflation zwingt die Notenbanken zu Zinsanhebungen. Die Renditen langlaufender Anleihen zogen bereits signifikant an. Sollten langfristig orientierte Anleger sich im aktuellen Marktumfeld mit langlaufenden Anleihen eindecken?

Notenbanken erhöhen Zinsen

Die anhaltend hohe Inflation zwingt die Notenbanken dazu, den Leitzins zu erhöhen. So hat die amerikanische Notenbank Fed dieses Jahr bereits drei Mal den Leitzins auf eine aktuelle Preisspanne von 3,00 – 3,25 Prozent angehoben.

Zinsen_USA

Quelle: VWD, 01.10.2022

Wenn die Zinsen steigen und das Geld folglich teurer wird, sollte sich die Konsumlaune von Verbrauchern und Unternehmen merklich abkühlen. Spätestens dann können Unternehmen keine höheren Preise für ihre Produkte durchsetzen, im Gegenteil, sie müssen tendenziell Sonderangebote machen, um ihre Lager zu räumen. Dies hat den Effekt, dass das allgemeine Preisniveau zurücklaufen wird. So sieht das zumindest die Theorie vor. In der Praxis birgt dies aktuell zwei große Gefahren. Zum einen können diese Zinsanhebungen zu einer schmerzhaften Rezession der Wirtschaft führen, welche Firmenpleiten und Entlassungswellen zur Folge hätten. Zum anderen kann das gesamte Finanz- und Bankensystem am Abgrund  stehen, wenn Schuldner ihre immer höheren Raten nicht bedienen können. Hohe Leitzinsen bringen Staaten, Unternehmen und Privatpersonen aufgrund von Rückzahlungsproblemen unter erheblichen Druck. Somit befinden sich die Notenbanken auf einem sehr wackeligen Pfad.

Renditen der Anleihen steigen

Die Leitzinsanhebungen haben zu deutlichen Steigerungen bei den Anleiherenditen geführt. So ist die Rendite der zehnjährigen US-Bonds jüngst auf den höchsten Stand seit 2011 gestiegen.

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Quelle: VWD, 23.09.2022

Im Euroraum stiegen die Kosten der Staatsfinanzierung ebenfalls deutlich an. Denn zehnjährige griechische Staatsanleihen erreichten mittlerweile eine Rendite von 4,47 Prozent. In Italien ist sie auf 4,16 Prozent angestiegen. Währenddessen rentierten deutsche Bonds mit 1,89 Prozent. Damit erreichten die entsprechenden Zinsen hierzulande den höchsten Wert seit Januar 2014. Bei Unternehmensanleihen guter Bonität können je nach Laufzeit wieder jährliche Rendite von 3,3 Prozent erzielt werden. Dies gleicht nicht die aktuelle Inflationsrate von 9,1 Prozent aus, dennoch scheint die Niedrigzinsära zumindest vorerst vorbei.

Zinsen – Langläufer im Vorteil

Die Renditeanstiege der letzten Wochen rücken vor allem langlaufende Anleihen wieder in den Fokus der Investoren. Hier können Anleger sich langfristig einen vergleichsweise attraktiven Zins sichern. Vor allem wenn die Notenbanken diesen Winter oder im Frühjahr kommenden Jahres einsehen müssen, dass die Wirtschaft schwächelt oder die Rückzahlungsfähigkeit aufgrund der hohen Zinsen kollabiert und die Leitzinsen wieder gesenkt werden müssen. Das Resultat wären dann merklich steigende Anleihekurse bei den Langläufern.

Bonität – watch your step

Bei den Langläufern müssen Anleger jedoch zwingend auf die Bonität achten. Wer Renditen deutlich über Marktniveau erzielen möchte, muss auf Hochzinsanleihen ausweichen. Gemeint sind damit Anleihen von Unternehmen, denen die Ratingagenturen nur eine schwache Bonität bescheinigen. Diese Anleihen werden im Volksmund gern als Schrottanleihen bezeichnet. Von diesen Investments raten wir aber strikt ab, da das hohe Risiko keinesfalls mit einer adäquaten Rendite belohnt wird.

Es gilt aber, die Augen stets offen zu halten. Investoren sollten immer auf der Lauer sein, denn kurzfristige Chancen gibt es auch in diesen Marktzeiten.  Hat ein gutes, rentables Unternehmen zwischenzeitlich Probleme, wird die Sachlage von den Medien meist deutlich schlechter dargestellt als diese wirklich ist. Durch die entstandene Panik und einem wahren Ausverkauf können vorrausschauende Investoren die Anleihen nach gründlicher Analyse des Unternehmens günstig einsammeln. In der Vergangenheit waren Anleihen von Volkswagen oder Lufthansa prominente Beispiele für derartige Chancen.